Ordentliche Kapitalerhöhung

Definition Ordentliche Kapitalerhöhung

Mittels einer auch als Kapitalerhöhung gegen Einlagen bezeichneten ordentlichen Kapitalerhöhung beschafft sich eine Aktiengesellschaft (AG) zusätzliches Eigenkapital durch die Ausgabe neuer Aktien (Aktienemission).

Die ordentliche Kapitalerhöhung ist in den §§ 182 bis 191 AktG geregelt.

Voraussetzungen einer ordentlichen Kapitalerhöhung

Hauptversammlungsbeschluss und Handelsregistereintrag

Eine ordentliche Kapitalerhöhung (§§ 182 bis 191 AktG) erfordert einen Beschluss der Hauptversammlung mit einer sog. qualifizierten Mehrheit von 75 % des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals (§ 182 Abs. 1 Satz 1 AktG).

Die Satzung kann eine andere Kapitalmehrheit, für die Ausgabe von Vorzugsaktien ohne Stimmrecht jedoch nur eine größere Kapitalmehrheit bestimmen (§ 182 Abs. 1 Satz 2 AktG).

Der Beschluss sowie die Durchführung der Kapitalerhöhung sind in das Handelsregister einzutragen (§ 188 AktG).

Aktienausgabe / Aktienemission

Die Aktien dürfen nicht zu einem Preis ausgegeben werden, der unter dem Nennwert bzw. im Falle von Stückaktien unter dem rechnerischen Nennwert (der auf die jeweilige Stückaktie entfallende Anteil am Grundkapital) liegt (§ 9 Abs. 1 AktG).

Die Aktionäre zeichnen die Aktien (§ 185 AktG) und leisten die entsprechenden Zahlungen.

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Bezugsrecht

Im Grunde steht bei einer Kapitalerhöhung gegen Einlagen jedem Aktionär ein Bezugsrecht auf den Bezug der neuen, jungen Aktien zu (§ 186 AktG).

Dadurch wird dem "Altaktionär" ermöglicht, bei einer anstehenden Kapitalerhöhung seinen prozentualen Anteil (z.B. auch eine Stimmrechtsmehrheit) am Unternehmen beizubehalten, und somit einer "Verwässerung" seiner Beteiligung zu entgehen.

Darüber hinaus soll durch das Bezugsrecht ein Ausgleich von Vermögensnachteilen der Altaktionäre erfolgen, falls der Bezugskurs der neuen Aktien unter dem Börsenkurs liegt.

Das Bezugsrecht kann allerdings durch Hauptversammlungsbeschluss ganz oder zum Teil ausgeschlossen werden (§ 186 Abs. 3 AktG).

Durchführung Ordentliche Kapitalerhöhung

Die Durchführung einer ordentlichen Kapitalerhöhung soll an einem Beispiel (zunächst ohne Berücksichtigung eines Bezugsrechts) gezeigt werden.

Beispiel: Ausgangssituation

Gründung und Aktienemission

Zum 1. Januar 2010 wird ein IT-Unternehmen in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft gegründet. Das benötigte Startkapital in Höhe von 200.000 Euro wird von den 2 Gründern je zur Hälfte aufgebracht.

Unternehmensgegenstand der AG: Entwicklung und Vermarktung einer Suchmaschine. Es werden hierzu 50.000 Aktien zu einem Nennwert von 1 Euro zu einem Wert bzw. Preis von 4 Euro ausgegeben — beide Gründer zeichnen jeweils 25.000 Aktien und zahlen dafür jeweils 100.000 Euro.

Der Emissionserlös beträgt somit 200.000 Euro. Die Eröffnungsbilanz stellt sich wie folgt dar:

Eröffnungsbilanz
Aktiva   Passiva  
   
200.000 50.000
    150.000
  200.000   200.000

Nach § 272 Abs. 2 Nr. 1 HGB sind als Kapitalrücklage auszuweisen: der Betrag, der bei der Ausgabe von Anteilen einschließlich von Bezugsanteilen über den Nennbetrag oder, falls ein Nennbetrag nicht vorhanden ist, über den rechnerischen Wert hinaus erzielt wird (sogenanntes Agio). Im vorliegenden Fall beträgt das Agio 3 Euro je Aktie (Ausgabepreis in Höhe von 4 Euro abzgl. Nennbetrag je Aktie in Höhe von 1 Euro).

Aktienpreis bei der Kapitalerhöhung

Nach einem Jahr haben die Gründer einen Prototyp für die Suchmaschine entwickelt. Allerdings sind von den 200.000 Euro Startkapital nur mehr 50.000 Euro übrig. 150.000 Euro wurden für Vorstandsgehälter, Mieten für die Büroräume, Patentgebühren und Leasingkosten für Server und PCs verbraucht. Die Bilanz stellt sich zum 31. Dezember 2010 wie folgt dar:

Schlussbilanz zum 31. Dezember 2010
Aktiva   Passiva  
   
50.000 50.000
    150.000
    -150.000
  50.000   50.000

Die Gründer schätzen die Kosten für die weitere Verbesserung der Suchmaschine bis zur Marktreife auf 2 Mio. Euro. Davon sollen insbesondere die ersten Mitarbeiter eingestellt werden. Den Wert ihres patentierten Prototyps bzw. ihren Unternehmenswert zum 31. Dezember 2010 schätzen die Gründer auf 2 Mio. Euro. Ein Finanzinvestor (Venture Capital Investor, VC) ist bereit, in der genannten Höhe von 2 Mio. Euro einzusteigen. Nach Abschluss eines Beteiligungsvertrags erfolgt eine Kapitalerhöhung gegen Bareinlagen.

Kapitalerhöhung: Ausgabe von 50.000 Aktien zu einem Preis von 40 € je Aktie

Es werden 50.000 Aktien zu einem Preis von je 40 Euro an den Finanzinvestor ausgegeben. Die im Rahmen einer Kapitalerhöhung zusätzlich herausgegebenen Aktien bezeichnet man auch als junge Aktien oder neue Aktien.

Der Wert des Unternehmens nach der Kapitalerhöhung (sogenannte "Post-Money-Bewertung") beträgt 4 Mio. Euro (2 Mio. Euro "Pre-Money" (Unternehmenswert vor Kapitalerhöhung) + 2 Mio. Euro Bargeld = 4 Mio. Euro "Post-Money").

Die Bilanz nach der Kapitalerhöhung sieht folgendermaßen aus.

Bilanz nach Kapitalerhöhung
Aktiva   Passiva  
   
2.050.000 100.000
    2.100.000
    -150.000
  2.050.000   2.050.000

Es wurden wiederum 39 Euro je Aktie (Ausgabewert in Höhe von 40 Euro abzgl. Nennwert je Aktie in Höhe von 1 Euro), in Summe 1.950.000 Euro (50.000 Aktien × 39 Euro) der Kapitalrücklage zugeführt. Das Grundkapital hat sich um 50.000 Euro (50.000 Aktien × 1 Euro) erhöht.

Ordentliche Kapitalerhöhung mit Bezugsrecht

An dem fortgeführten Beispiel soll die ordentliche Kapitalerhöhung mit Berücksichtigung des Bezugsrechts gezeigt werden.

Beispiel: Kapitalerhöhung gegen Einlagen mit Bezugsrecht

Ein Jahr später, Ende 2011, ist die Suchmaschine zur Marktreife gebracht. Hierfür wurden die finanziellen Mittel im Wesentlichen verbraucht, der Jahresfehlbetrag 2011 betrug 1.950.000 Euro:

Bilanz nach Jahresfehlbetrag
Aktiva   Passiva  
   
100.000 100.000
    2.100.000
    -2.100.000
  100.000   100.000

Die Gründer und der Finanzinvestor wollen nunmehr die weltweite Vermarktung sowie den Unternehmensaufbau beginnen und veranschlagen dafür einen Kapitalbedarf in Höhe von 8 Mio. Euro, der über einen Börsengang gedeckt werden soll.

Den Wert ihrer patentierten Suchmaschine bzw. ihren Unternehmenswert zum 31. Dezember 2011 schätzen die Eigentümer auf 10 Mio. Euro. Die Gründer und der Finanzinvestor wollen allerdings weiterhin das Sagen haben und zu mindestens 50 % beteiligt bleiben.

Bezugsverhältnis und Wert des Bezugsrechts

Das Bezugsverhältnis bezeichnet das Verhältnis des bestehenden „alten“ Grundkapitals zum „neuen“ Grundkapital aus der Kapitalerhöhung.

Der „Aktienkurs“ vor der Kapitalerhöhung beträgt 100 Euro (Unternehmenswert 10 Mio. Euro / Aktienanzahl 100.000). Um alle Aktien platzieren zu können, sollen die Aktien „verbilligt“ zu einem Kurs von 80 Euro ausgegeben werden. Somit werden 100.000 Aktien zu 80 Euro ausgegeben, dem Unternehmen fließen 8 Mio. Euro zu.

Das Grundkapital der Aktiengesellschaft beträgt 100.000 Euro. Es erfolgt eine Kapitalerhöhung um 100.000 Euro auf 200.000 Euro, das Bezugsverhältnis beträgt 1 : 1.

Der Mischkurs bzw. Mittelkurs der Aktien beträgt:

(100.000 Altaktien × 100 Euro + 100.000 Neuaktien × 80 Euro) / (100.000 + 100.000) = 90 Euro.

Für die Altaktionäre ergibt sich ein Wertverlust, da der Aktienwert von 100 Euro auf 90 Euro gesunken ist. Dafür entschädigt der Wert des Bezugsrechts, der sich wie folgt errechnet: (100 Euro - 80 Euro) / [(1/1) + 1] = 20 Euro / 2 = 10 Euro. Dabei ist 1/1 das Bezugsverhältnis.

Für die Altaktionäre stellt sich die Situation nach der Kapitalerhöhung wie folgt dar: Der Aktienkurs beträgt lediglich noch 90 Euro, allerdings können sie ihre Bezugsrechte für 10 Euro je Stück an der Börse verkaufen, so dass kein Vermögensverlust eintritt. Theoretisch wären sie als alleinige Besitzer der Bezugsrechte in der Lage, alleine zu zeichnen und somit dem Verwässerungseffekt (auch als Kapitalverwässerung bezeichnet) zu entgehen.