Lohmann-Ruchti-Effekt

Lohmann-Ruchti-Effekt Definition

Der Lohmann-Ruchti-Effekt bezeichnet den Kapazitätserweiterungseffekt.

Grundidee: Wenn aus den Abschreibungen gewonnene finanzielle Mittel in neue Investitionsgüter (Kapazitäten) reinvestiert werden, kann die Kapazität (zum Beispiel die Anzahl der Produktionsmaschinen) dadurch erweitert werden.

Der Lohmann-Ruchti-Effekt beschreibt damit einen speziellen Effekt der Finanzierung aus Abschreibungen.

Der Kapazitätserweiterungseffekt lässt sich mit einer Formel, dem Kapazitätserweiterungsfaktor, berechnen.

Lohmann-Ruchti-Effekt Beispiel

Der Lohmann-Ruchti-Effekt (Kapazitätserweiterungseffekt) bzw. seine Berechnung sollen an einem Beispiel dargestellt werden.

Beispiel: Lohmann-Ruchti-Effekt berechnen

Ein Unternehmen der Mietwagenbranche wird zum 1. Januar 01 gegründet.

Anfänglich umfasst der Bestand 10 PKW im Wert von jeweils 50.000 Euro.

Die Finanzierung des Anlagevermögens in der Gesamthöhe von 500.000 Euro erfolgt zu 40 % mit Eigenkapital in Höhe von 200.000 Euro sowie zu 60 % durch ein Bankdarlehen in Höhe von 300.000 Euro.

Angenommen, das Unternehmen erzielt in 01 einen Gewinn in Höhe von 50.000 Euro, der sich wie folgt ergibt:

Umsatzerlöse in Höhe von 175.000 Euro abzüglich linearer Abschreibungen in Höhe von 125.000 Euro (Anlagevermögen 500.000 Euro / 4 Jahre Nutzungsdauer). Sonstige Kosten und Steuern seien hier vernachlässigt.

Da die Abschreibungen nicht auszahlungswirksam sind, fließen dem Unternehmen 175.000 Euro zu.

Davon stammen 125.000 Euro aus den nicht auszahlungswirksamen Abschreibungen. Dieser Betrag könnte in neue PKW investiert werden. Die Entwicklung stellt sich wie folgt dar:

Lohmann-Ruchti-Effekt Tabelle

 

PKW (Stück)

Beträge (€)

 

Jahresanfang

Zugang

(Jahresende)

Abgang

(Jahresende)

Abschreibungen

reinvestiert

Restbetrag

01

10

2

125.000 €

100.000 €

25.000 €

02

12

3

150.000 €

150.000 €

25.000 €

03

15

4

187.500 €

200.000 €

12.500 €

04

19

5

10

237.500 €

250.000 €

0 €

05

14

3

2

175.000 €

150.000 €

25.000 €

06

15

4

3

187.500 €

200.000 €

12.500 €

07

16

4

4

200.000 €

200.000 €

12.500 €

08

16

4

5

200.000 €

200.000 €

12.500 €

09

15

4

3

187.500 €

200.000 €

0 €

10

16

Lohmann-Ruchti-Effekt Erklärung:

Im Jahr 01 beginnt das Unternehmen mit 10 PKW.

Die Abschreibungen für die 10 PKW mit Anschaffungskosten von jeweils 50.000 Euro betragen bei einer unterstellten 4-jährigen Nutzungsdauer jeweils 12.500 Euro je PKW, das heißt in Summe für die 10 PKW 125.000 Euro.

Aus dem durch die Abschreibungen freigesetzten Kapital können 2 neue, zusätzliche PKW (Spalte „Zugang Jahresende“) im Wert von je 50.000 Euro, das heißt in Summe 100.000 Euro, angeschafft werden (Kapazitätserweiterung um 2 PKW, Lohmann-Ruchti-Effekt). 25.000 Euro müssen „vorgetragen“ werden (Spalte "Restbetrag"), da der Betrag nicht ausreicht, einen weiteren PKW zu erwerben.

Im Jahr 02 beginnt das Unternehmen somit mit 12 PKW. Die Abschreibung in 02 beträgt nunmehr 12 × 12.500 Euro = 150.000 Euro. Darüber hinaus sind noch 25.000 Euro aus 01 „übrig“ (Vortrag aus 01).

In Summe stünden also 175.000 Euro zur Verfügung, davon können wiederum 3 PKW im Gesamtwert von 150.000 Euro erworben werden.

In den Folgejahren setzt sich diese Kapazitätserweiterung fort. Allerdings muss ab 04 berücksichtigt werden, dass die PKW am Ende ihrer 4-jährigen Nutzungsdauer nunmehr den Bestand verlassen (Spalte „Abgang Jahresende“). Dadurch reduziert sich der PKW-Bestand, so dass der Lohmann-Ruchti-Effekt eine Begrenzung findet (siehe Kapazitätserweiterungsfaktor).

Kapazitätserweiterungseffekt berechnen

Der Kapazitätserweiterungsfaktor gibt das Ausmaß der Kapazitätserweiterung an.

Die Formel für den Kapazitätserweiterungsfaktor bei linearer Abschreibung lautet: 2 × [Nutzungsdauer] / (Nutzungsdauer + 1)]

Beispiel: Berechnung des Kapazitätserweiterungsfaktors

Im obigen Beispiel beträgt der Kapazitätserweiterungsfaktor: 2 × [4 / (4 + 1)] = 2 × 4/5 = 8/5 = 1,6.

Das heißt, die Kapazität nimmt von der Ausgangssituation (Anfangsbestand: 10 PKW) aus betrachtet um 60 % auf 16 PKW zu, ohne dass zusätzliche Finanzierungsmaßnahmen in Anspruch genommen werden müssen.

Kritik am Lohmann-Ruchti-Effekt

Als Kritik am Lohmann-Ruchti-Effekt können folgende Punkte genannt werden:

  • der Abschreibungsverlauf entspricht nicht unbedingt dem tatsächlichen Werteverzehr (insbesondere wenn man die steuerrechtlichen Nutzungsdauern und Abschreibungsmethoden zugrunde legt).
  • die Kapazitätserweiterung ist nur dann sinnvoll, wenn die zusätzliche Kapazität auch benötigt wird bzw. die daraus resultierenden Produkte (im Beispiel: PKW-Vermietungsleistungen) auch auf dem Markt verkauft werden können.
  • eine erweiterte Kapazität geht oftmals auch mit steigender Kapitalbindung im Umlaufvermögen (zum Beispiel erhöhte Vorratshaltung für Rohstoffe zur Befüllung von Anlagen bzw. Maschinen) und zusätzlichen Kosten (zum Beispiel für mehr Personal) einher. Dies wird nicht berücksichtigt.
  • Kostensteigerungen (Inflation) der Investitionen werden im Grundmodell nicht berücksichtigt, die Wiederbeschaffungskosten werden konstant angenommen.
  • Ist das Investitionsobjekt (zum Beispiel eine Maschine) Teil einer größeren Einheit (zum Beispiel einer Fertigungsstraße), müssten auch die vor- und nachgelagerten Fertigungsstufen erweitert werden.

Unterschied zur Kapitalfreisetzung

Werden die über die Produktverkäufe des Unternehmens (durch Einrechnung der Abschreibungen als Kostenbestandteil in die Verkaufspreise) erzielten finanziellen Mittel nicht für Neuinvestitionen genutzt, liegt lediglich eine Kapitalfreisetzung vor.