Stille Selbstfinanzierung
Stille Selbstfinanzierung Definition
Die stille Selbstfinanzierung als eine Form der Innenfinanzierung bezeichnet die Finanzierung durch die Einbehaltung nicht ausgewiesener Gewinne.
Die stille Selbstfinanzierung erfolgt durch die Bildung stiller Reserven, das heißt durch
- die Unterbewertung von Vermögenswerten oder
- die Überbewertung von Verbindlichkeiten.
Sie entsteht zum Teil zwangsläufig (aufgrund der Rechnungslegungsvorschriften), zum Teil kann sie durch Bilanzpolitik gesteuert werden.
Die stille Selbstfinanzierung ist – im Gegensatz zur offenen Selbstfinanzierung durch Gewinneinbehaltung – nicht offen auf der Kapital- bzw. Passivaseite der Bilanz ersichtlich und erfordert einen zusätzlichen Einblick in das Unternehmen, der durch die externe Rechnungslegung in Gestalt der Bilanz nicht gewährt wird.
Alternative Begriffe: Verdeckte Selbstfinanzierung.
Stille Reserven
Stille Reserven (auch als stille Rücklagen bezeichnet) können auf folgende zwei Arten entstehen:
Stille Reserven durch Unterbewertung von Aktiva
Das Vermögen des Unternehmens wird im Verhältnis zum „wahren Wert“ (zum Beispiel Marktwert) zu gering ausgewiesen.
Dazu zählt auch der Fall, dass aktivierungsfähige Vermögensgegenstände aufgrund eines Wahlrechts nicht in der Bilanz angesetzt werden.
Beispiele: stille Selbstfinanzierung durch Unterbewertung von Aktiva
Beispiel 1: Keine Aktivierung selbsterstellter Patente
Ein Unternehmen macht von dem Aktivierungswahlrecht des § 248 Abs. 2 HGB für von dem Unternehmen selbst geschaffene immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens (zum Beispiel eigene Patente) keinen Gebrauch.
Für die selbsterstellten Patente wurden Herstellungskosten in Höhe von 2 Mio. Euro aufgewendet, dies entspricht auch dem aktuellen geschätzten Marktwert der Patente.
Beispiel 2: Marktwert eines Gebäudes über Buchwert
Ein bereits 1960 erworbenes Grundstück steht – aufgrund des Anschaffungskostenprinzips – mit seinen damaligen Anschaffungskosten von (umgerechnet) 1 Mio. Euro in der Bilanz.
Der aktuelle Marktwert der Immobilie beträgt hingegen 10 Mio. Euro.
Beispiel 3: Vollständig abgeschriebenes Gebäude
Ein Gebäude ist bereits vollständig abgeschrieben. Der mögliche Veräußerungserlös des Gebäudes wird auf 3 Mio. Euro geschätzt.
Höhe der stillen Reserven / des Finanzierungspotentials
Das Unternehmen verfügt über stille (das heißt nicht in der Bilanz ausgewiesene) Reserven in Höhe von 14 Mio. Euro.
Die Gesellschaft könnte dieses Finanzierungspotential durch die Veräußerung der Patente, des Grundstücks sowie des Gebäudes heben.
Allerdings reduzieren die auf die Veräußerungsgewinne entfallenden Ertragsteuern das Finanzierungsvolumen.
Stille Reserven durch Überbewertung von Passiva
Stille Reserven durch die Überbewertung von Passiva entstehen insbesondere durch die vorsichtige und eventuell überhöhte Bildung von Rückstellungen.
Ursachen der Bildung von stillen Reserven
Rechnungslegungsvorschriften
Den obigen Beispielen kann man entnehmen, dass die stille Selbstfinanzierung teilweise „automatisch“ aufgrund der handelsrechtlichen und steuerlichen Bilanzierungs- und Bewertungsvorschriften erfolgt.
Bilanzpolitik
Die stille Selbstfinanzierung kann aber auch mittels Bilanzpolitik bewusst durch die entsprechende Ausübung von Ansatzwahlrechten und Bewertungsoptionen gesteuert werden (zum Beispiel Bewertungsverfahren wie Last-in-First-Out (LiFo) für Vorräte, „kurze“ Schätzung der Nutzungsdauern).
Vorteile und Nachteile der stillen Selbstfinanzierung
Vorteile der stillen Selbstfinanzierung
Reduzierung des Liquiditätsabflusses
Die Bildung stiller Reserven reduziert den Liquiditätsabfluss in zweierlei Hinsicht: da die Gewinne zum Beispiel aus der Vermögensmehrung hinsichtlich des Grundstücks nicht ausgewiesen werden, fallen darauf zum einen keine Steuern an (Steuerstundungseffekt), zum anderen erfolgt darauf auch keine Gewinnausschüttung.
Stärkung der Unabhängigkeit
Durch die stille Selbstfinanzierung wird die Unabhängigkeit des Unternehmens gestärkt.
In dem obigen Beispiel könnte das Unternehmen durch die Auflösung der stillen Reserven eine Investitionsfinanzierung durchführen, ohne von einer Finanzierungsbereitschaft von Eigenkapitalgebern (zum Beispiel Aktionären) oder von Fremdkapitalgebern (zum Beispiel Banken) abhängig zu sein.
Sicherheit
Die stille Selbstfinanzierung führt dazu, dass über die Bilanzwerte hinausgehende Sicherheiten vorhanden sind.
So könnte das Unternehmen in dem obigen Beispiel das unterbewertete Grundstück (in Höhe des Beleihungswerts) als Sicherheit für einen Kredit einsetzen.
Nachteile der stillen Selbstfinanzierung
Die Bildung stiller Reserven ist aber in gewisser Hinsicht auch problematisch, da die Vermögenslage nicht korrekt dargestellt wird.
Den Eigentümern wird ihnen zustehender Gewinn bis zur Auflösung der stillen Reserven vorenthalten. Allerdings entsteht wie bereits dargestellt ein Großteil der stillen Reserven zwangsläufig aufgrund der Rechnungslegungsvorschriften.