Stille Reserven

Definition

Stille Reserven bezeichnen Werte, die aus der Bilanz mit ihren Buchwerten nicht ersichtlich sind.

Alternative Begriffe: Stille Rücklagen.

Entstehung / Ursachen

Stille Reserven entstehen durch die

  • Unterbewertung von Vermögensgegenständen oder die
  • Überbewertung von Schulden.

Zum Teil entstehen stille Reserven zwangsläufig durch die Rechnungslegungsvorschriften (zum Beispiel Anschaffungskostenprinzip), zum Teil können sie durch Bilanzpolitik (Ausnutzung von Bilanzierungs- und Bewertungswahlrechten) bewusst gelegt werden.

Beispiele

Wir zeigen zuerst die Bilanzposten und damit verbundenen stillen Reserven und gehen dann auf die einzelnen Ursachen ein:

Unterbewertung von Aktiva

Bilanzposten Buchwert Tatsächlicher Wert Stille Reserven
Grundstück 1.000.000 € 3.000.000 € +2.000.000 €
Auto 0 € 20.000 € +20.000 €
Selbsterstellte Software 0 € 1.000.000 € +1.000.000 €
Forderungen 500.000 € 530.000 € +30.000 €
Summe 1.500.000 € 4.550.000 € +3.050.000 €

Bei der Unterbewertung von Aktiva entspricht das in der Bilanz zu Buchwerten ausgewiesene Vermögen nicht dem tatsächlichen Vermögen zu Marktpreisen.

Ursachen sind unter anderem:

Anschaffungskosten

Das Anschaffungskostenprinzip verhindert einen Ansatz zu Marktwerten.

Im Beispiel: ein Grundstück steigt im Wert von 1 Mio. € auf 3 Mio. €; die Bilanz zeigt aber weiterhin lediglich die 1 Mio. €.

Dies kann vor allem auch bei Wertpapieren (steigende Aktien) oder bei (selten in Bilanzen zu findenden) Kunstwerken zu hohen stillen Reserven führen.

Kurze Nutzungsdauern

Die für die Abschreibung des Anlagevermögens angesetzten Nutzungsdauern sind zu kurz.

Im Beispiel: ein PKW wird über 6 Jahre abgeschrieben und hat danach einen Buchwert von 0 €, hat aber zu dem Zeitpunkt noch einen tatsächlichen Restwert von 20.000 € (auf dem Gebrauchtwagenmarkt).

Selbsterstellte immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens

Selbsterstellte immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens (zum Beispiel vom Unternehmen erstellte Software, entwickelte Patente) werden in Ausübung des Wahlrechts des § 248 Abs. 2 Satz 1 HGB nicht in der Bilanz aktiviert).

Im Beispiel: die vom Unternehmen erstellte Software hat Herstellungskosten von 1 Mio. €, wurde aber nicht bilanziert.

Überhöhte Wertberichtigungen auf Forderungen

Auf Kundenforderungen werden überhöhte ("übervorsichtige") Wertberichtigungen (Einzelwertberichtigung bzw. Pauschalwertberichtigung) gebildet.

Im Beispiel: Die Forderungen betragen ursprünglich 600.000 €, diese wurden "sehr konservativ" um 100.000 € wertberichtigt, so dass der Buchwert der Forderungen 500.000 € beträgt; es hätten aber 70.000 € als Wertberichtigung gereicht, so dass stille Reserven von 30.000 € entstanden.

Überbewertung von Passiva

Bei der Überbewertung von Passiva entsprechen die in der Bilanz zu Buchwerten ausgewiesenen – aus Verbindlichkeiten und Rückstellungen bestehenden – Schulden nicht den tatsächlichen Schulden.

Bilanzposten Buchwert Tatsächlicher Wert Stille Reserven
Prozesskostenrückstellung 1.000.000 € 850.000 € -150.000 €
Summe 1.000.000 € 850.000 € -150.000 €

Ursache ist vor allem:

Ansatz überhöhter Rückstellungen

Rückstellungen (zum Beispiel für Prozesskosten oder Gewährleistung) werden zu vorsichtig geschätzt.

Im Beispiel: die Rückstellung für Prozesskosten wurde mit 1 Mio. € mit 150.000 € überdotiert.

Fazit

In der Bilanz des Unternehmens bestehen stille Reserven von in Summe 3,2 Mio. €.

Aufdeckung stiller Reserven

Aufgedeckt werden stille Reserven insbesondere dann, wenn der entsprechende unterbewertete Vermögenswert verkauft wird.

Wird zum Beispiel das mit 1 Mio. € in der Bilanz stehende Grundstück für 3 Mio. € verkauft, fällt ein Buchgewinn von 2 Mio. €; dieser erhöht den Jahresüberschuss des Unternehmens (und damit die zu zahlende Steuer).

Stille Reserven aus überbewerteten Rückstellungen hingegen werden aufgelöst, wenn die Rückstellung in Anspruch genommen wird und etwaige Restbeträge als Ertrag aufgelöst werden müssen.

Stille Reserven und stille Selbstfinanzierung

Die Bildung stiller Reserven kann Teil der Unternehmensfinanzierung sein, siehe Stille Selbstfinanzierung.

Stille Lasten

Stille Lasten stellen das Gegenstück zu den stillen Reserven dar.

Das HGB sorgt durch seine Regelungen wie das Realisationsprinzip, das Imparitätsprinzip oder das Niederstwertprinzip dafür, dass stille Lasten kaum auftreten können.

Allerdings kann zum Beispiel das für das Anlagevermögen geltende gemilderte Niederstwertprinzip dazu führen, dass der Buchwert zeitweise über dem tatsächlichen Wert bzw. dem Marktwert liegt, da hier nur dauerhafte Wertminderungen zu einer außerplanmäßigen Abschreibung führen.