Fiktivkaufmann

Definition

§ 5 HGB sagt: Ist eine Firma (im Sinne des Namens des Kaufmanns, unter dem dieser seine Geschäfte betreibt, § 17 HGB) im Handelsregister eingetragen, so kann gegenüber demjenigen, welcher sich auf die Eintragung beruft, nicht geltend gemacht werden, dass das unter der Firma betriebene Gewerbe kein Handelsgewerbe sei.

Man spricht von einem Fiktivkaufmann (die Kaufmannseigenschaft wird gesetzlich fingiert, um Rechtssicherheit herzustellen) bzw. Kaufmann kraft Eintragung.

Beispiel

Ehemaliger Istkaufmann wird zum Fiktivkaufmann

Ein Modelleisenbahnhändler war viele Jahrzehnte lang als Istkaufmann unter der Firma "Adam Berger Modelleisenbahnen e.K." im Handelsregister eingetragen.

Vom Handelsgewerbe zum Kleingewerbe

Aufgrund des stark rückläufigen Geschäfts wurde das Ganze zu einem Kleingewerbe, womit keine zwingende Kaufmannseigenschaft im Sinne des § 1 Abs. 2 HGB (Istkaufmann) mehr vorliegt.

Adam Berger denkt darüber nach, sich aus dem Handelsregister austragen zu lassen, schiebt es aber immer wieder auf.

Rechtliche Folge

Solange 1) die Firma (weiterhin) im Handelsregister eingetragen ist und 2) ein Gewerbe (das Modelleisenbahngeschäft) betrieben wird, greift § 5 HGB und Adam Berger muss sich zum Beispiel bei Rechtsansprüchen eines Vertragspartners als Kaufmann behandeln lassen.

Unwiderlegbare Fiktion

Die Geschäftspartner sollen sich darauf verlassen können: wer im Handelsregister eingetragen ist, ist Kaufmann bzw. gilt als Kaufmann. Sie sollen das nicht nochmals selbst prüfen müssen, die Fiktion ist unwiderlegbar.

Das bedeutet konkret beispielsweise:

  • Bürgschaftsrecht: Gewährt Adam Berger mündlich eine Bürgschaft über 100.000 € und ist diese auf seiner Seite ein Handelsgeschäft, gelten nach § 350 HGB die Formvorschriften des § 766 Satz 1 BGB (schriftliche Erteilung der Bürgschaftserklärung) nicht; die mündliche Bürgschaftserklärung gilt hier.
  • Zinspflicht: Ein Lieferant kann von Adam Berger 5% Zinsen für seine Forderung aus einem beiderseitigen Handelsgeschäft vom Tage der Fälligkeit an fordern (§§ 352, 353 HGB).

Die für Kaufleute verschärften Pflichten greifen hier voll durch.

Voraussetzung: Gewerbe

Handelt es sich aber nicht um ein Gewerbe, sondern zum Beispiel um eine freiberufliche Tätigkeit wie Steuerberatung oder Wirtschaftsprüfung, greift § 5 HGB nicht.

Auffangtatbestand

§ 5 HGB ist ein Auffangtatbestand und kommt eher selten zur Anwendung; die anderen Möglichkeiten, Kaufmann zu sein, gehen vor.

Beispiel: Vorrang anderer Kaufmannsarten

Jemand ist (zwingend) ein Istkaufmann nach § 1 HGB und muss sich deshalb nach § 29 HGB in das Handelsregister eintragen lassen oder jemand ist ein Kannkaufmann nach § 2 HGB und lässt sich (freiwillig) in das Handelsregister eintragen, um Kaufmann zu sein.

Dann ist zwar jeweils eine Eintragung im Handelsregister gegeben; § 5 HGB wirkt aber nicht (bzw. wird nicht gebraucht), da bereits § 1 bzw. § 2 HGB greifen und denjenigen zum Kaufmann machen.