Rückstellungen

Rückstellungen Definition

Rückstellungen werden zum einen für hinsichtlich ihres Eintritts, ihrer Höhe oder ihrer Fälligkeit nach ungewisse Verbindlichkeiten (Verbindlichkeitsrückstellung) gebildet. Zum anderen sind Rückstellungen (handelsrechtlich) für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften (Drohverlustrückstellung) zu bilden (§ 249 Abs. 1 HGB).

Rückstellungen gehören – neben den (sicheren) Verbindlichkeiten – zum Fremdkapital bzw. zu den Schulden. Die Höhe der Rückstellungen kann der Bilanz entnommen werden (§ 266 Abs. 3 B. Rückstellungen HGB). Die Bildung einer Rückstellung mindert in der Regel als Aufwand den Gewinn.

Rückstellungen umfassen nach der für Kapitalgesellschaften geltenden Bilanzgliederung des § 266 Abs. 3 B. HGB folgende Rückstellungsarten:

  • Rückstellungen für Pensionen und ähnliche Verpflichtungen (kurz: Pensionsrückstellungen),
  • Steuerrückstellungen sowie
  • sonstige Rückstellungen (diese sind nach § 285 Nr. 12 HGB im Anhang zu erläutern, sofern sie einen nicht unwesentlichen Umfang haben; kleine Kapitalgesellschaften müssen die Angabe nicht machen, § 288 Abs. 1 HGB).

Je nach Sachlage werden Rückstellungen für den jeweiligen Einzelfall oder als Sammelrückstellung bzw. pauschale Rückstellung (z.B. für Gewährleistungen; § 240 Abs. 4 i.V.m. § 256 Satz 2 HGB) gebildet.

Die Bewertung von Rückstellungen erfolgt mit dem nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung erforderlichen Erfüllungsbetrag, der erwartete Kosten- und Preissteigerungen berücksichtigt. Langfristige Rückstellungen mit einer Restlaufzeit von mehr als 1 Jahr sind abzuzinsen.

Ungewisse Verbindlichkeiten

Bei einer "normalen" Verbindlichkeit sind Grund, Höhe und Fälligkeit gegeben:

Beispiel: gewisse Verbindlichkeiten vs. Rückstellungen

Bei einer Lieferantenrechnung handelt es sich um eine gewisse Verbindlichkeit: der Grund für die Schuld (der Lieferant hat z.B. einen Computer geliefert), die Höhe (z.B. 1.000 € zzgl. 19 % Umsatzsteuer = 1.190 €) sowie die Fälligkeit (z.B. Rechnung ist fällig am 29. Januar 2012) sind gewiss.

Bei einer Rückstellung als ungewisse Verbindlichkeit hingegen ist mindestens einer der 3 genannten Parameter ungewiss.

Weitere Gründe für Rückstellungen

Neben den ungewissen Verbindlichkeiten und drohenden Verlusten nennt das HGB in § 249 Abs. 1 Satz 2 noch zwei weitere Fälle, in denen eine Rückstellung gebildet werden muss (Passivierungspflicht), nämlich für:

  • im Geschäftsjahr unterlassene Aufwendungen für Instandhaltung (Instandhaltungsrückstellung), die im folgenden Geschäftsjahr innerhalb von 3 Monaten, oder für Abraumbeseitigung, die im folgenden Geschäftsjahr nachgeholt werden sowie für
  • Gewährleistungen, die ohne rechtliche Verpflichtung erbracht werden (sogenannte Kulanzrückstellung).

Für andere Zwecke dürfen Rückstellungen laut § 249 Abs. 2 Satz 1 HGB nicht gebildet werden.

Verbot für Aufwandsrückstellungen

Für Aufwandsrückstellungen (z.B. für Instandhaltung oder Reparatur jenseits des o.g. 3-Monats-Zeitraums) besteht ein Passivierungsverbot.

Auflösung von Rückstellungen

Rückstellungen dürfen nach § 249 Abs. 2 Satz 2 HGB nur aufgelöst werden, soweit der Grund für die Rückstellung entfallen ist.

Die Auflösung der Rückstellungen erfolgt i.d.R. über sonstige betriebliche Erträge.

Beispiele für die Auflösung von Rückstellungen

Beispiel 1: vollständige Auflösung

Ein Prozess, für den eine Prozesskostenrückstellung in Höhe von 10.000 € gebildet wurde, wird gewonnen.

Die Rückstellung kann vollständig aufgelöst werden: Rückstellung für Prozesskosten an sonstige betriebliche Erträge 10.000 €.

Beispiel 2: teilweise Auflösung

Der Prozess wurde zwar nicht gewonnen, die tatsächlich zu zahlenden Prozesskosten beliefen sich aber nur auf 6.000 €.

Die Rückstellung wird also teilweise verbraucht und teilweise aufgelöst: Rückstellung für Prozesskosten 10.000 € an Bank 6.000 €, an sonstige betriebliche Erträge 4.000 €.

Rückstellungen Beispiele

Beispiel: Rückstellung für Gewährleistung

Ein Hersteller von Festplatten verkauft im Geschäftsjahr 2012 1 Mio. Festplatten.

Das Unternehmen weiss aus Erfahrung, dass im Durchschnitt 1 % der Festplatten mit Mängeln behaftet sind.

Im Rahmen der Gewährleistung ("Garantie") erstattet das Unternehmen den Käufern jeweils den Nettokaufpreis in Höhe von 50 €.

Rückstellung bilden

Dafür bildet das Unternehmen im Geschäftsjahr 2012 eine Rückstellung für Gewährleistung in Höhe von 1 Mio. Stück × 1 % Fehlerquote × 50 € = 500.000 €. Die Bildung der Rückstellung wird als Aufwand verbucht und mindert den Gewinn (vor Steuern) entsprechend um 500.000 €.

Buchungssatz Rückstellungen

Der Buchungssatz für die Rückstellung lautet: sonstige betriebliche Aufwendungen an Rückstellung für Gewährleistung 500.000 €.

Kriterien für eine Rückstellung

Es handelt sich dabei aus folgenden Gründen um eine Rückstellung in Gestalt einer ungewissen Verbindlichkeit:

  • Der Eintritt eines Schadensfalls ist unsicher: eventuell treten durch Qualitätsverbesserungen in der Produktion keine Fehler mehr auf;
  • die Höhe ist ungewiss: es fallen unter Umständen mehr oder weniger als die 1 % an – es handelt sich um eine für Rückstellungen typische Schätzung;
  • die Fälligkeit ist ungewiss: die Schadensfälle können heute eintreten, morgen oder in fünf Monaten (oder gar nicht).

In dem Fall sind also Grund, Höhe und Fälligkeit ungewiss. Allerdings müssen für den Grund bzw. die Ursache der Rückstellung konkrete Anhaltspunkte und eine gewisse Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme bestehen (in dem Fall aus Erfahrungswerten abgeleitet).

Weitere Beispiele für Rückstellungen

Folgende Rückstellungen findet man z.B. oftmals bei Unternehmen:

  • Urlaubsrückstellungen
  • Prozesskostenrückstellungen
  • Rückstellungen für Boni und Tantiemen
  • Rückstellung für Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen
  • Rückstellungen für Jahresabschlusskosten.

Rückstellungen und Rücklagen

Während Rückstellungen Fremdkapital bzw. Schulden darstellen (das Unternehmen schuldet anderen, z.B. im Falle der Gewährleistungsrückstellung den Kunden, etwas), sind Rücklagen Teil des Eigenkapitals (z.B. Gewinnrücklagen, die aus den Jahresüberschüssen des Unternehmens gebildet werden und den Eigentümern zustehen).

Bewertung von Rückstellungen

Erfüllungsbetrag

Rückstellungen sind gemäß § 253 Abs. 1 Satz 2 HGB in Höhe des nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung notwendigen Erfüllungsbetrages anzusetzen.

Vernünftige kaufmännische Beurteilung bedeutet, dass die Rückstellungen nicht willkürlich bewertet angesetzt werden, sondern dass die geschätzten Beträge plausibel hergeleitet und korrekt berechnet werden (z.B. bei Gewährleistungsrückstellungen auf Erfahrungswerten beruhend).

Der Erfüllungsbetrag schließt Kosten- und Preissteigerungen ein (wird z.B. mit dem Anfall von Prozesskosten erst in 3 Jahren gerechnet, sind die erwarteten Kostenverhältnisse in 3 Jahren für die Bewertung ausschlaggebend).

Steuerlich hingegen werden Rückstellungen ohne Berücksichtigung von Preis- und Kostensteigerungen bewertet (nach § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchstabe f) EStG sind die Wertverhältnisse am Bilanzstichtag maßgebend), so dass sich hier Unterschiede zwischen der Handels- und Steuerbilanz ergeben.

Abzinsung langfristiger Rückstellungen

Langfristige Rückstellungen mit eines Restlaufzeit von mehr als einem Jahr sind nach § 253 Abs. 2 Satz 1 HGB mit dem ihrer Restlaufzeit entsprechenden durchschnittlichen Marktzinssatz der vergangenen 7 Geschäftsjahre (bzw. im Falle von Altersversorgungsverpflichtungen 10 Jahre) abzuzinsen.

Steuerlich hingegen werden Rückstellungen mit einem (fixen) Zinssatz von 5,5 % abgezinst (§ 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchstabe e) EStG), so dass sich hier wiederum Unterschiede zwischen der Handels- und Steuerbilanz ergeben.

Rückstellungen in der Steuerbilanz

Für die Steuerbilanz sieht § 5 Abs. 2a bis 4b EStG Passivierungsverbote für einige Rückstellungen (v.a. Drohverlustrückstellungen) vor.

Auch die Bewertung ist anders: es gelten die Wertverhältnisse am Bilanzstichtag (d.h. ohne Berücksichtigung von Kostensteigerungen, vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchstabe f) EStG) und der Abzinsungszinssatz ist mit 5,5 % fixiert (§ 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchstabe e) EStG); daraus ergeben sich latente Steuern.