Vorräte

Vorräte Definition

Vorräte umfassen nach der für Kapitalgesellschaften geltenden Bilanzgliederung des § 266 Abs. 2 B. I. HGB:

  • Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe (kurz: RHB oder RHB-Stoffe),
  • unfertige Erzeugnisse, unfertige Leistungen,
  • fertige Erzeugnisse und Waren sowie
  • geleistete Anzahlungen.

Die Gliederung der Vorräte spiegelt den Fertigungsprozess bei Produktionsunternehmen wider: vom Rohmaterial (z.B. Stahl) über unfertige Erzeugnisse (z.B. Karosserie) hin zum fertigen Erzeugnis (Auto); Handelsunternehmen hingegen haben lediglich den 3. Posten (Handels)waren.

Rohstoffe wie Stahl oder Holz gehen in das Fertigerzeugnis ein.

Hilfsstoffe sind Materialien untergeordneter Bedeutung, die in das Fertigerzeugnis eingehen (z.B. Nägel bei der Möbelproduktion).

Betriebsstoffe hingegen werden zwar bei der Fertigung benötigt, gehen jedoch nicht in das Produkt ein (z.B. Schmierstoffe).

Auch Zukaufteile wie Getriebe oder Reifen werden unter den RHB-Stoffen erfasst.

Die auch als Halbfabrikate bezeichneten unfertigen Erzeugnisse haben bereits eine oder mehrere Fertigungsstufen absolviert, weitere sind noch ausstehend (z.B. Schrank ohne Türen).

Unfertige Leistungen treten bei Unternehmen auf, die keine Produkte herstellen, sondern Leistungen erbringen, z.B. Bauunternehmen, Ingenieurbüros oder Unternehmensberater.

Waren sind Handelswaren (d.h. z.B. Vorräte eines Kaufhauses).

Geleistete Anzahlungen beziehen sich auf Anzahlungen für Vorräte, z.B. Rohmaterialien.

Alternative Begriffe: inventories (englisch), Vorratsvermögen, Warenbestand.

Mengengerüst der Vorräte

Das Mengengerüst – wie viele Stück der einzelnen Rohstoffe, Produkte etc. sind jeweils auf Lager? – wird durch die Inventur ermittelt.

Bilanzausweis

Von Kunden erhaltene Anzahlungen auf Bestellungen können offen von den Vorräten abgesetzt werden (Wahlrecht des § 268 Abs. 5 Satz 2 HGB), sofern sie nicht bei den Verbindlichkeiten unter dem Bilanzposten erhaltene Anzahlungen auf Bestellungen ausgewiesen werden.

Bewertung Vorräte

Für die – oftmals auch als Bestandsbewertung bzw. Lagerbewertung bezeichnete – Vorratsbewertung gilt

  • zum einen das Anschaffungskostenprinzip, d.h. die Erstbewertung erfolgt mit den Anschaffungskosten bzw. bei fertigen und unfertigen Erzeugnissen / Leistungen mit den Herstellungskosten; dabei können Bewertungsvereinfachungsverfahren / Verbrauchsfolgeverfahren wie

    in Anspruch genommen werden;

  • zum anderen für die Folgebewertung zum Bilanzstichtag das in § 253 Abs. 4 HGB kodifizierte strenge Niederstwertprinzip. Neben gesunkenen Wiederbeschaffungskosten bzw. Marktpreisen führen auch folgende Aspekte zu Abschlägen bei der Vorratsbewertung:
    • Überalterung der Bestände (Beispiel: veraltete Prozessoren);
    • hohe Reichweiten (Beispiel: 10.000 Stück auf Lager, pro Jahr werden aber nur 100 Stück verkauft — die Reichweite beträgt 100 Jahre) oder
    • Defekte, Beschädigungen, Schönheitsfehler etc.

Beispiel: Bewertung der Vorräte

Ein Unternehmen hat im September 2012 100.000 Liter Rohöl zu 0,80 € je Liter eingekauft; d.h. die Anschaffungskosten betragen 80.000 € bzw. 0.80 € je Liter.

Zum Bilanzstichtag 31. Dezember 2012 sind noch 60.000 Liter auf Lager.

Der Einkaufspreis (die Wiederbeschaffungskosten) für den Liter Rohöl sind zu diesem Zeitpunkt auf 0,60 € je Liter gesunken.

Aufgrund des strengen Niederstwertprinzips hat eine Abwertung des Rohmaterials zu erfolgen: von 48.000 € (60.000 Liter × 0,80 €) auf 36.000 € (60.000 Liter × 0,60 €). Die außerplanmäßige Abschreibung beträgt somit 12.000 €.

Die Verbuchung der Abschreibung in der Gewinn- und Verlustrechnung erfolgt in der Regel über die Bestandsveränderung (GuV-Posten Nr. 2 in der GuV nach dem Gesamtkostenverfahren nach § 275 Abs. 2 HGB).

Nur in den Ausnahmefällen, in denen die Abschreibungen die in der Kapitalgesellschaft üblichen Abschreibungen überschreiten, erfolgt der Ausweis in der GuV nach dem Gesamtkostenverfahren unter dem GuV-Posten § 275 Abs. 2 Nr. 7 b) HGB Abschreibungen auf Vermögensgegenstände des Umlaufvermögens, soweit diese die in der Kapitalgesellschaft üblichen Abschreibungen überschreiten, vgl. § 277 Abs. 2 HGB.

Die Vorratsbewertung in dem Bilanzposten Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe erfolgt mit 36.000 €.

Verlustfreie Bewertung

Für Handelswaren sowie unfertige und fertige Erzeugnisse ist bei der Bewertung zum beizulegenden Wert (auch) vom Absatzmarkt auszugehen.

Liegen der erwartete Verkaufserlös abzgl. der noch erwarteten Kosten (z.B. Vertriebsprovisionen, Verpackungskosten, Versand- oder Transportkosten) unter dem aktuellen Buchwert, ist eine außerplanmäßige Abschreibung in Höhe des Differenzbetrags vorzunehmen — die Waren sind dann verlustfrei bewertet, d.h., der Verlust wurde vorweggenommen.

Vorratsbewertung und Wareneinsatz

Die angewandten Bewertungsmethoden bzw. Bewertungsvereinfachungsverfahren für das Vorratsvermögen beeinflussen den Wareneinsatz und damit den Gewinn eines Unternehmens.

Kennzahlen Vorräte

Mit folgenden Kennzahlen können die Vorräte im Rahmen der Bilanzanalyse untersucht werden: